4 - Die Freifolge
"Das hat er noch nie gemacht"
Jeder von uns hat diesen Spruch schon einmal gehört, in der Regel nach einer Vorführung in der Unterordnung. Bei irgendeiner Übung ist das auch gar nicht so schlimm. Ist aber die Freifolge damit gemeint, dann hat man sehr wahrscheinlich auf den falschen Trieb gesetzt.
Die Analyse der Prüfungsaufgaben scheint mir der wichtigste Schritt bei der Ausbildung und in der Prüfungsvorbereitung in der Unterordnung zu sein. Denn erst bei der Teilung einer Aufgabe wird ersichtlich, welcher Trieb zum eigenen System und zum jeweiligen Teilabschnitt einer Übung am besten geeignet ist.
Im vorherigen Teil stellte ich die Bedeutung vom Meutetrieb als Primärmotivation dar. In zwei kurzen Sätzen erwähnte ich unter Meidetrieb auch Aktivierungszwänge. Aufgrund hoher Leserresonanz, die nach mehr Informationen über die Art der Hundeausbildung mit Aktivierungszwängen wissen möchten, nehme ich das zum Anlass etwas detaillierter darzustellen, welche Auswirkungen starke Einwirkungen auf die Triebe des Hundes haben und wie diese die Körpersprache der Hundes beeinflusst.
Die Freifolge
Die Freifolge hat in der Unterordnung einen sehr hohen Stellenwert, ist sie doch bei mehr als der Hälfte der Übungen zumindest mit einem Teilabschnitt vertreten. Laut Prüfungsordnung soll der Hund also in der Freifolge aus einer geraden, ruhigen und aufmerksamen Grundstellung, aufmerksam, freudig und gerade dem Hundeführer folgen.
Triebe, die für die Ausführung der Freifolge aktiviert werden müssen sind
- Beutetrieb,
- Meutetrieb und
- Meidetrieb
in perfekt abgestimmter Kombination.
Der Beutetrieb steht für das Aufmerksame, der Meutetrieb für das Freudige und der Meidetrieb ist für das Beibehalten des Verhaltens wichtig. Gibt es für einen dieser Triebe am Prüfungstag keinen Schlüsselreiz, wird eine korrekte, aufmerksame und freudige Vorführung nicht gelingen.
Das ist bei Prüfungen oft der Fall. Der Grund dafür ist, dass beim Training Schlüsselreize eingesetzt werden, die bei der Prüfung kaum oder gar nicht machbar sind. Auch Hilfen erreichen dann oft keine Triebstimmungsänderung, was daran liegt, dass es für diese, aus der Not heraus gegebenen Hilfen, keine Konditionierung gibt. Profis nutzen für den Prüfungstag, auf den Punkt genau, nicht nur die richtigen, sondern sogar unterschiedliche Schlüsselreize, um jeweils noch Intensitäten zu steigern oder zu hemmen.
Wie das in der Prüfungspraxis aussieht, haben uns einige Hundesportler in den letzten Jahren bei großen SV-Veranstaltungen gezeigt. Bei starkem Zuschauerinteresse dominierten sie auf dem Unterordnungsplatz.
Die Richter haben es wohlwollend honoriert und somit neue Maßstäbe für die Unterordnung gesetzt. Allerdings sollten die Richter auf dem neusten Stand sein und während der Vorführung erkennen und auf- zeigen, wenn Aufmerksamkeit suggeriert wird, Meiden aber tatsächlich gezeigt wird. Dieser kleine Unterschied ist das eigentliche Problem. Für viele Hundesportler sind solche Richter-Entscheidungen bei großen Veranstaltungen richtungsweisend.
Erläuterungen für das bessere Verständnis: Außerhalb von denen im Sport angesprochenen Triebbereichen, ist Meideverhalten einfach und für jedermann leicht zu erkennen. Schwieriger wird das Ganze, wenn der Hund sich auf einem hohen Trieblevel befindet:
- Befindet sich der Hund auf der Triebskala auf der Null, fängt offen sichtbares Meideverhalten sofort mit dem kleinsten Meidereiz an.
- Befindet sich der Hund auf der Triebskala auf der 4 sorgt der selbe Meidereiz lediglich dafür, dass der zuvor angesprochene Trieb, sich um 1 oder 2 Punkte nach unten bewegt - es gibt kein offensichtliches Meideverhalten.
- Befindet sich der Hund auf der Triebskala auf Stufe 7 oder höher wird auch bei sehr starken Einwirkungen kein Meideverhalten offensichtlich.
Wurde bei Hunden zusätzlich Aktivierungszwänge mit Trieb konditioniert, ist es möglich, noch massiver einzuwirken, zum Beispiel bei Verhaltensänderung und dann ist es fast unmöglich offensichtliches Meideverhalten zu erzeugen. Nach sehr vielen Selbsttests sowie durch Beobachtungen und Analysen von Trainingsarbeiten und den darauf folgenden Analysen der gezeigten Arbeit während der Prüfungen, kam ich zu folgender Erkenntnis: Die Körpersprache des Hundes ist unmissverständlich!!
- Eine Ausbildung über den Meutetrieb hat zur Folge, dass der Hund freudig mitgeht, die Ohren teilweise anlegt, Verhaltensweisen gerne wechselt und die Rute wedelt gleichmäßig nach beiden Seiten.
- Mit Beute- und Meutetrieb geht der Hund freudig mit, die Ohren straff und aufmerksam. Das Verhalten wechselt etwas weniger und die Rute wedelt gleichmäßig nach beiden Seiten.
- Ausbildung mit Beutetrieb, Meutetrieb, leichte Einwirkungen (Meidetrieb) und sehr viel Geduld: Der Hund geht freudig mit, die Ohren straff und aufmerksam. Das Verhalten wechselt kaum und die Rute wedelt gleichmäßig nach beiden Seiten.
- Ausbildung mit Beutetrieb, Meutetrieb und mittlere Einwirkungen (Meidetrieb): Der Hund geht immer noch freudig mit, die Ohren straff und aufmerksam. Das Verhalten wechselt nicht, die Rute wedelt nicht mehr gleichmäßig nach beiden Seiten, sondern nur noch zu einem Drittel nach links und zu zwei Drittel nach rechts zum Hundeführer.
- Ausbildung mit Beutetrieb, Meutetrieb und starke Einwirkungen (Meidetrieb): Der Hund geht nicht mehr freudig mit. Nur die Rutenbewegung suggeriert Freude, die Ohren werden angelegt oder bleiben straff und suggerieren Aufmerksamkeit je nach Trieblevel im Beutemodus. Das Verhalten wechselt nicht, die Rute wedelt nicht mehr gleichmäßig nach beiden Seiten, sondern nur noch nach rechts zum Hundeführer.
- Ausbildung mit Beutetrieb, Meutetrieb und sehr starken Einwirkungen die Aktivität auslösen (Meidetrieb): Der Hund geht nicht freudig mit, nur die Rutenbewegung und die straffen Ohren suggerieren Freude und Aufmerksamkeit. Das Verhalten wechselt nicht, der Körper ist etwas angespannt, die Rute wedelt nur noch nach rechts zum Hundeführer.
- Ausbildung über den Meidetrieb, Ausbildung über den Beutetrieb und Meidetrieb: Der Hund geht fast teilnahmslos mit, die Ohren straff und aufmerksam, die Route hängt runter und wedelt nicht.
Die Brasilianerin Priscila Ognibene mit Zor de Parayas (2x WUSV) bekam bei der WUSV-WM 2012 in der Freifolge die Bewertung "Gut".
Zor himmelt während der Freifolge seine Priscilla an! Für mich und die Zuschauer war dies eine mustergültige Freifolge voller Arbeitsfreude, einzustufen in der Kategorie: Ausbildung mit Beute und Meutetrieb.
Nun ihre Beurteilung und Bewertung übersetzt auf brasilianisch, damit Priscilla das auch versteht: "Klopf dem Zor auf die Birne, damit er noch 1-2 cm zurück geht. Und wenn er das dann macht und seine Rute nicht mehr nach links wedelt, bekommst Du ein "Vorzüglich".
Und dafür ist Priscilla und Zor um die halbe Welt gereist!
Die weiteren Übungen von Zor wurden aber leider nicht korrekt ausgeführt. Zum einem fehlte der nötige Respekt. Zum anderen waren nicht die richtigen Triebe bei den jeweiligen Übungen im Einsatz. Das ist leider bei vielen Hundeführern der Fall wenn Beute und Meute eingesetzt wird, aber leichte bis mittlere Einwirkungen nicht dosiert eingesetzt werden können.
Den Spagat, die drei benötigte Triebe korrekt einzusetzen, schafften zwei andere junge Damen bei der WUSV-WM 2012 aus dem Deutschen Team:
Birgit Diegel mit ihrer Vaja von den Wölfen, einzustufen in die Kategorie:
Ausbildung mit Beutetrieb, Meutetrieb, leichte Einwirkungen (Meidetrieb) und sehr viel Geduld.
Vaja begeisterte die Zuschauer mit einer schönen Freifolge (WUSV 2012: SG) und enormer Grundschnelligkeit bei den technischen Übungen. Lediglich bei den Apportierübungen, die sie im Beutemodus blitzschnell ausführte, wollte sie selbstständig bei allen drei Übungen die zweite Beute, um die Endhandlung auszu-führen und den Beutetrieb zu befriedigen. Das Voraussenden mit hinlegen das korrekterweise im Beutemodus ausgeführt wurde, habe ich in 30 Jahren niemals so schnell gesehen.
Sabrina Höfer mit Quiche vom Löwenwappen, einzustufen in die Kategorie:
Ausbildung mit Beutetrieb, Meutetrieb und mittlere Einwirkungen (Meidetrieb).
Die Hündin zeigt eine perfekte und schöne Freifolge (WUSV 2012: SG). Dass Quiche ständig bedrängt, hat wohl nur der Richter so gesehen. Lediglich die Route von Quiche signalisiert etwas Unbehagen, in dem sie öfters nach rechts ausschlägt. Die technischen Übungen wurden schnell und korrekt ausgeführt.
Fazit für die Freifolge
Wenn unsere Hunde könnten, würden sie sich wünschen, dass wir erst den Meutetrieb fördern, eine starke Bindung aufbauen und erst danach die Ausbildung der Freifolge mit Meute-, Beutetrieb, leichten Einwirkungen im (Meidetrieb) und sehr viel Geduld vornehmen. Bedanken würden sie sich mit echter Freude und Aufmerksamkeit bei den Prüfungen.
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